Vereinsjubiläum: 70 Jahre Schwerhörigenverein Bonn Rhein-Sieg
13. Oktober 2023 Unser Offener Monatstreff fand im Oktober 2023 unter einem besonderen Vorzeichen statt: Wir haben das 70-jährige Jubiläum unseres Bonner Schwerhörigenvereins gefeiert. Im festlich-geselligen Rahmen der Offenen Tür Dürenstraße konnten wir rund 50 Mitglieder, Gäste, Ehrenmitglieder und Ehrengäste begrüßen. Grußbotschaften überbrachten der Bezirksbürgermeister von Bad Godesberg, Michael Wenzel, die Geschäftsführerin der Behindertengemeinschaft Bonn, Marion Frohn, die neue Behindertenseelsorgerin für Bonn, Euskirchen und den Rhein-Sieg-Kreis, Judith Effing, sowie die DSB Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz, Brigitte Hilgert-Becker und der stellvertretenden Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Norbert Hesselmann. Zu Gast war auch die Vorsitzende des DSB aus Köln, Charlotte Köhler und Wilfried Boos vom SoVD Bonn. |
Susanne Fülöp führte für den Vorstand durch die Veranstaltung. Nach den Grußbotschaften durften die Gäste zunächst einmal bei Kaffee und Kuchen zulangen und alte Kontakte pflegen und neue Kontakte knüpfen. Musikalisch wurden sie dabei von Hans Hanfft am Keyboard. Anschließend wurde die Geschichte des Vereins von den Anfängen bis in die Gegenwart in einem fiktiven Interview unterhaltsam aufbereitet und vorgetragen von Heinz Hepp und Norbert Böttges. Dan Hilgert-Becker ergänzte Gründung und Geschichte der CI-Gruppe ab 2011. Anschließend blieb noch viel Zeit, nach teils langer Zeit einmal wieder miteinander zu reden und alte und neue Neuigkeiten auszutauschen. |
Ganz besonders gefreut haben wir uns, dass auch unser früherer Vorsitzender Wilfried Ring mit seiner Frau Brigitta den Weg zum Jubiläum gefunden haben und mit dabei sein konnten. Wilfried Ring hat schließlich fast 50 Jahre – und seine Frau Brigitta fast 20 Jahre ;-) – unserer Vereinsgeschichte geprägt. |
Interview zur Geschichte des
Schwerhörigenvereins Bonn
Rhein-Sieg-Kreis Frage: Am 24. September 1953 wurde unser Verein im alten Aennchensaal gegründet als „Ortsverein Bad Godesberg im Deutschen Schwerhörigenbund“. Bad Godesberg? Wieso nicht Bonn? Antwort: 1953 - das war lange vor der Gebietsreform in NRW, wo die 4 heutigen Stadtteile von Bonn zu einer Stadt zusammengelegt wurde. Also war es ganz logisch, dass Bad Godesberg einen Verein für sich gründete. (Einen Bonner Verein gab es damals übrigens nicht.) Die Gründung ging im Übrigen auf einen Zuzug aus Hamburg zurück. Kurt Hempel war ein umtriebiger Mann, ein Kartographen-Inspektor, geboren in der Oberlausitz, durch Scharlach und Diphterie schwerhörig geworden und seit 1920 in der Schwerhörigenbewegung aktiv. Ein sportlicher Typ, Wassersport und Skilauf. Nach Stationen in Dresden, Berlin und Breslau war er zuletzt in Hamburg, bevor es ihn beruflich 1953 ins Rheinland verschlug. Da ließ er es sich nicht nehmen und gründete noch im selben Jahr den Bad Godesberger Ortsverein des Deutschen Schwerhörigenbundes. Einen Verein gründen von Null auf Hundert - wie soll so was gehen? Zur Gründungsversammlung trommelte Kurt Hempel - folgt man den Presseberichten - 40 Schicksalsgenossen zusammen. Und im Aennchensaal versammelte sich ein vollständiger Vorstand: Vorsitzender Kurt Hempel. Stellvertreter Rudolf Edse, die Schriftführung übernahmen Werner Stein und Frau Edse, 1. und 2. Kassenwart wurden Friedrich Raether und Rudolf Branys, und zwei Beisitzer gab es auch: Frau Vogt und Herr Herbst. Als Kurt Hempel dann nach zwei Jahren beruflich nach Hannover ziehen musste, übernahm Schriftführer Werner Stein den Vorsitz für die nächsten 18 Jahre. Was trieb der neue Verein denn so in seinen ersten Jahren? Von Anfang an gab es zweimal die Woche eine Sprechstunde, in der Rüngsdorfer Straße 12, mit kostenloser Hörmittelberatung und Rat und Auskunft in allen durch die Schwerhörigkeit bedingten Angelegenheiten. Und noch im Gründungsjahr fand am Nikolaustag die erste Adventsfeier statt. Im Folgejahr fuhr man gemeinsam nach Holland und traf sich mit einer dortigen Schwerhörigengruppe. Ab 1957 gab es spezielle Gottesdienste für Schwerhörige. Und im Jahr 1960 richtete der Verein erstmals die Jahrestagung des Landesverbands des Schwerhörigenbundes aus - der Beginn einer langen Tradition von Landes- und Bundestagungen in der Bad Godesberger Stadthalle. 1970 nahm man Teil an der Aktion „Besser Hören“ in der Godesberger Redoute. Der Verein hatte bis 1959 gar keine Satzung. Geht das denn überhaupt? Ohne Satzung konnte der Verein natürlich nicht ins Vereinsregister eingetragen werden. Die erste Satzung kam 1959. Aber erst im Jahr 1976 ließ der Verein sich ins Vereinsregister eintragen. Das war dann der Beginn der Ära Wilfried Ring. „Ära Wilfried Ring“? Ja. Nach 18 Jahren verließ Werner Stein Bonn in Richtung Bayern. Zwei Jahre später - 1974 - wurde dann Wilfried Ring zum Vorsitzenden gewählt - und blieb es für die folgenden 50 Jahre. Er brachte frischen Wind in den Verein. 1975 gründeten sich ein Wanderclub und eine Jugendgruppe. Die nächste Landesversammlung NRW im März 1976 fand wieder in der Godesberger Stadthalle statt und bot erstmals auch eine technische Hilfsmittel-Ausstellung. Im Folgejahr erhielt der Verein als Konsequenz der Zusammenlegung der vier Bonner Stadtteile den Namen „Verein der Schwerhörigen und Spätertaubten Bonn und Umgebung“ und wurde endlich nach allen Regeln der Kunst ins Bonner Vereinsregister eingetragen. Damit hatte er erstmals eine eigene Rechtspersönlichkeit und konnte zum Beispiel Fördermittel beantragen. Es dauerte nicht lange, da bekam der Verein - man höre und staune - einen eigenen VW-Bus. Mit finanzieller Förderung der Sparkasse Bonn und von Aktion Mensch. Fünfzig Jahre - das ist eine lange Zeit... Ja, in diesen Jahren ist viel passiert. Das alles aufzuzählen, würde Stunden dauern: das Jahresprogramm als HörInfoKurier, ein festes Programm von Tages- und Wochenausflügen, Feste und Feiern, Absehkurse und vieles mehr. 1998 wurde der Schwerhörigenverein Bonn Gründungsmitglied der Bonner Behindertengemeinschaft. Auch Kooperationen mit der Stadt Bonn, dem Paritätischen Verband und dem Sozialverband Deutschlands wurden auf- und ausgebaut. 2001 mietete der Verein in der Bad Godesberger Oststraße Räume an und richtete sie für Beratung, Veranstaltungen und Feste als Vereinsheim ein. Die regelmäßige Teilnahme am Bad Godesberger Stadtfest und die Gründung des Bonner Runden Tischs Hören sind weitere Aktionen. Die Ausrichtung weiterer Landes- und Bundesversammlungen in Bonn folgten. Das alles war das Werk der im Verein Aktiven, Wilfried Ring war ihr Motor. So erhielt er verdientermaßen 1988 das Bundesverdienstkreuz und 2001 den Verdienstorden des Landes NRW. Und sieht es heute im Verein aus? Ab etwa 2015 erlitt Wilfried Ring erhebliche gesundheitliche Einschnitte. Das Gehen und Bewegen, Fahren und Reisen wurde zunehmend mühsam. So bereitete er einen Generationenwechsel vor. 2018 wurde Susanne Fülöp zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Ihr kam - wie könnte es in Bonn anders sein - Ludwig van Beethoven zu Hilfe. Sein 250-Jahres-Jubiläum 2020 setzte Susanne in ein grandioses Vereinsprojekt um. Die künstlerische Installation „Beethoven 250/16“ wurde geboren und zog weitere Leute in den engeren Kreis der Aktiven. Künstlerische, handwerkliche, organisatorische und andere kreative Talente sammelten sich um 250 Hasen, von denen 40 den Anteil der Schwerhörigen an der Gesamtbevölkerung repräsentierten. Zwar kam dann Corona dazwischen, aber die Eröffnungsausstellung im Troisdorfer Rathaus und spätere Stellungen zu verschiedenen anderen Gelegenheiten schweißten das neue Team zusammen. 2021 gab es sogar eine Radiosendung über unseren Verein im Bürgerradio des Senders Radio Bonn Rhein-Sieg. Und allen Beschränkungen zum Trotz baute das neue Team ein lebendiges Programm mit Öffentlichkeitsaktionen, Gremienarbeit, Beratung, Wanderungen und anderen geselligen Angeboten auf. 2021 mussten wir dann - weil das Gebäude anders genutzt werden sollte - unser Vereinsheim aufgeben. Mit einem weinenden, aber auch einem lachenden Auge, denn die dann gewonnene neue Heimat in der Offenen Tür Dürenstraße hat freundliche Räume und nimmt den Aktiven einiges von der Last einer eigenen Immobilie. 2022 haben wir unseren HörInfoKurier zum HörKurier weiter entwickelt - mit neuem, frischem Design und einem vielfältigen Redaktionsprogramm. Auch unsere Homepage haben wir zeitgemäß neu aufgestellt und bieten mit einem monatlichen Update und einem Newsletter per E-Mail unseren Mitglieder jederzeit aktuelle Informationen über unser Vereinsprogramm. Den in den letzten Jahren gewachsenen Teamgedanken haben wir 2023 dann konsequent in der Satzung verankert. Der Vorstand besteht seitdem aus vier gleichberechtigten Personen, die den Verein nach außen hin vertreten. Dazu kommen drei Beisitzer und ein Beirat von weiteren Aktiven, die sich regelmäßig im erweiterten Vorstand treffen. Fazit Nach 70 Jahren steht der Verein der Schwerhörigen und Ertaubten Bonn und Rhein-Sieg-Kreis lebendig da wie eh und je. In der Bonner Stadtgesellschaft und auch im Landes- und Bundesverband des Deutschen Schwerhörigenbundes ist er als einer der aktiven Vereine bekannt und anerkannt. So können wir mit Optimismus den nächsten 10, 30, ja auch 70 Jahren entgegensehen! (Text und Vortrag: Heinz Hepp und Norbert Böttges) |